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Auf den Spuren der Goldenen Zwanziger


„Ich muss sie malen! Ich muss! Sie repräsentieren eine ganze Zeitepoche!“

Die Journalistin Sylvia von Harden, gemalt von Otto DixMit diesen Worten soll der Maler Otto Dix die Journalistin Syliva von Harden 1927 dazu überredet haben, ihm Modell zu stehen. Das Bild, das heute im Centre Pompidou in Paris hängt, zeigt eine Frau mit kurzen Haaren, spitzem Kinn und übergroßen Händen, die eine Zigarette in der Hand hält und mit einem sackartigen, karierten Kleid bekleidet ist. „Eine typische Vertreterin der neuen Frau“, sagt Judith Welsch-Körntgen, die die Klasse 11/3 am Donnerstag, 14. März 2024 durch die Ausstellung „Schau dir die Gesichter an“ im Kunstmuseum Stuttgart führt. Die Bilder von Otto Dix stehen im Mittelpunkt der einstündigen Führung, die in der ständigen Sammlung vor dem Triptychon Großstadt beginnt, das Dix zwischen 1927 und 1928 gemalt hat, und das mittlerweile in fast jedem Schulbuch als typisches Bild der neusachlichen Malweise und als Ausdruck der „Goldenen Jahre“ der Weimarer Republik gilt.Großstadt-Triptychon von Otto Dix

An den Rändern des Bildes sind Prostituierte und Kriegsinvalide abgebildet, sie gehören sozusagen nicht zur Gesellschaft, während im Mittelteil, des Bildes ein Paar zu den Klängen einer Jazzband tanzt:  Otto Dix mit seiner Frau. „Das ist die Blase, in der Dix sich bewegt hat“, sagt Judith Welsch-Körntgen dazu. Dix ist einer der berühmtesten Maler der „Neuen Sachlichkeit“, die ab 1925 versucht hat, den Wandel der Gesellschaft nach dem verlorenen Weltkrieg zu dokumentieren. Mit Überzeichnungen, mit androgynen Darstellungen von Frauen, teilweise auch schockierenden Details.

Ein weiteres Beispiel dafür ist die Tänzerin Anita Berber, die Dix mit strengem Blick und ganz in Rot malt. Die Schüler assoziieren sie mit der „Herzkönigin von Alice im Wunderland“ und interpretieren die rote Farbe als „teuflisch“. Bei der Schätzung nach dem Alter der Frau fällt die Zahl 70, dabei war Anita Berber erst 26. „Sie konnte sich bewegen wie eine Schlange“, sagt Judith Welsch-Körntgen. Dix malt sie „sehr verbraucht“ und sehr weiblich, auf Holz.

Ortswechsel: Am Nachmittag besuchen die 14 Schülerinnen und Schüler die Weißenhofsiedlung im Stuttgarter-Norden. Jochen Vogel, Lehrer für Gestaltungs- und Medientechnik und Klassenlehrer der 12/3, hat hier oben auf dem Stuttgarter Killesberg an der Kunstakademie studiert und zeigt den Schülern sein Lieblingshaus von Hans Scharoun. „Das neue Bauen wollte sich an den neuen Möglichkeiten orientieren“, sagt Jochen Vogel über die Intention der Weißenhofsiedlung, die ursprünglich als Ausstellung konzipiert war. Berühmte Architekten wurden vom Bauhaus-Architekten Mies van der Rohe 1926 dazu eingeladen, an dem Wettbewerb teilzunehmen und mussten bis zum Sommer 1927 in Rekordzeit ein modernes Gebäude mit Flachdach konzipieren. Teilweise waren die Architekten gar nicht vor Ort, wie im Fall von Le Corbusier, dessen Haus hauptsächlich von Bauleiter Alfred Roth umgesetzt wurde. Roth hatte immer wieder wichtige Entscheidungen zu treffen, etwa wie die vorgeschriebenen Klappbetten, die das Wohnzimmer im ersten Stock im Handumdrehen in ein Schlafzimmer verwandeln konnten. „Vorbild waren die Schlafwagen der Eisenbahnabteile“, berichtet Samuel Klinge in seiner einstündigen Führung durch das Haus.  Auch die Gangbreite mit 70 Zentimetern hatten die Architekten von den Zügen übernommen, was auf große Kritik der Besucher stieß. Fünf wichtige Regeln mussten die Architekten beachten: Das Haus steht auf Säulen, es ist also durch ein Stahlskelett konstruiert, so dass sich der Garten unter das Haus fortsetzt. Tragende Wände gibt es nicht. Alle Häuser haben einen Dachgarten, der der Natur die Fläche die überbaut wurde, wieder zurückgibt. Die Gebäude haben lange, horizontale Fenster, durch die angeblich wesentlich mehr Tageslicht in die Räume kommt. Auch die Farbgebung orientiert sich daran: Wo viel Licht hinkommt, werden dunklere Farben verwendet, wo wenig Licht hinkommt hellere. Mittlerweile ist die Weißenhofsiedlung Weltkulturerbe und wirkt noch immer sehr modern, wie Samuel Klinge mit einem Foto dokumentiert. Darauf ist ein Daimler-Modell aus dem Jahr 1928 zu sehen, im Hintergrund das Le Corbusier-Haus. „Das Haus wirkt immer noch sehr modern, ganz im Gegensatz zum Oldtimer“.Auf dem Flachdach des Le Corbusier-Hauses in der Stuttgarter Weissenhofsiedlung: Die Klasse 11/3 des TG

 
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