Feldpostbriefe im Unterricht
28 Milliarden Feldpostbriefe wurden im 1. Weltkrieg schätzungsweise geschrieben. Eine Auswahl von zehn Briefen hat Eva Masurowski, Bildungsreferentin des Volksbunds Deutscher Kriegsgräberfürsorge am Freitag, 23. Februar 2024 im Unterricht der TG 12-3 dabei.
„Was ist der Unterschied zum Tagebucheintrag?“ fragt sie die 20 Schülerinnen und Schüler an diesem Vormittag. „Die Briefe wurden doch auch kontrolliert“, sagt Frieda Arendt. „Genau, man schreibt häufig nicht das, was wirklich ist, auch um die Angehörigen zu schonen“, sagt Eva Masurowski. „Aber manche Briefe sind trotzdem ziemlich ehrlich. Da berichtet etwa einer, dass er ein halbes Jahr seinen Anzug nicht ausgezogen hat.“ Die Briefe sind alle in leserliche Schreibschrift transkribiert, immer zwei bis drei Schüler bekommen einen bis zwei Briefe. Josef Steinhardt etwa hat 60 Postkarten im ersten Weltkrieg geschrieben, die alle im Mannheimer Stadtarchiv verwahrt sind. Er ist bereits 1914 an die Front gegangen, berichtet Eva Masurowski. „Er war zunächst voller Enthusiasmus, doch nach einem Jahr kippt die Stimmung.“ Ende 1917 ist er an der Front gestorben.
Eva Masurowski hat auch ein Stück verrostetes Metall mitgebracht, eingehüllt in eine Plastiktüte. Es ist ziemlich schwer. „Das habe ich vor ein paar Wochen am Hartmannsweilerkopf gefunden. Was ist das?“ Achselzucken in der Klasse. „Ein Stück Artilleriemunition“. Ein Schüler weiß, dass es sich bei Artillerie um ein großes Geschütz. handeln muss. Dass zur selben Zeit in der Nähe von Donezk hunderte solcher Geschütze feuern, ist den Schülern zum Glück nicht bewusst. Der Krieg in der Ukraine, der vor genau zwei Jahren begann, ist noch immer weit weg. Doch er rückt näher.
Als sich Eva Masurowski von der Klasse verabschiedet, geht sie noch zum nahegelegenen Tübinger Bergfriedhof. Auch dort gibt es 400 Soldatengräber, die vom Volksbund betreut werden, einer von 12.000 Kriegsgräberstätten mit insgesamt 1,8 Millionen Kriegstoten allein in Deutschland. Europaweit sind es 830 Kriegsgräberstätten mit 2,8 Millionen Toten. „Wer an Europa verzweifelt, muss Soldatenfriedhöfe besuchen“, hat Jean-Claude Juncker einmal gesagt. Das Zitat des ehemaligen EU-Kommissionspräsidenten ist brandaktuell.