„Ich wollte schon immer Lehrer werden“
„Durfte man in der DDR eigentlich laute Musik hören?“ fragt ein Schüler in der Klasse 13-1 zum Einstieg Gunnar Huste, Schulleiter der GST am Mittwoch, 13. Dezember 2023. „Wegen Musik ist mein Vater sogar von der Schule geflogen“, erzählt Huste. Damals, Ende der 50er Jahre, kurz vor Kubakrise und Mauerbau, sei die Abgrenzung zum Westen besonders strikt gewesen. Es galt als verpönt, westliche Musik zu hören. Sein Vater habe jedoch einen Musikwunsch an Radio Luxemburg gesendet und das dann in der Klasse verbreitet: „Dann kommt unser gewünschtes Lied.“ Daraufhin musste er die Schule verlassen. Später sei das System in der DDR jedoch toleranter geworden. „In den Achtzigern gab es ein paar tolle Bands, auch Westmusiker wie Bruce Springsteen waren im Osten unterwegs. Da wurde es auch richtig laut.“ „Brot und Spiele“ nennt Huste diese liberalere Politik der SED gegen Ende der DDR-Zeit.
Gunnar Huste ist 1968 in Crimmitschau zur Welt gekommen, an der Grenze von Sachsen zu Thüringen gelegen. Beide Eltern waren Lehrer, weshalb auch er „schon immer“ Lehrer werden wollte. Die Kindheit und Jugend hat er in angenehmer Erinnerung, er ging in den Kindergarten, eine Vorschule und dann in die zehnjährige polytechnische Oberschule, „von den Fächern ähnlich wie unser TG“. Mit 15, 16 Jahren, in der Oberstufe, sei er dann erstmals in Konflikt mit dem Staat gekommen. „Da wurde man bedrängt, in die Partei einzutreten.“ Es gab zwei Strategien: Entweder die Gespräche und Werbeversuche einfach auszuhalten, oder aber in einer der zahlreichen Blockparteien einzutreten.
Als positive Punkte der DDR nennt Huste die Kinderbetreuung, die auch Frauen erlaubte, einen Job auszuüben. Daneben die soziale Absicherung und die billigen Wohnungen. „Für eine 60 Quadratmeterwohnung zahlte man 60 Mark, bei einem Durchschnittsgehalt von 700 bis 900 Euro waren das weniger als zehn Prozent des Einkommens, das man für Wohnraum ausgeben musste.“ Dagegen kostete ein Videorekorder 10.000 Mark, auf ein Auto musste man 1986 18 Jahre warten. Aus der Psychologie wisse man, dass besonders positive und besonders negative Ereignisse abgespeichert würden. Daraus resultiere auch heute die im Osten verbreitete „DDR-Nostalgie“.
Huste war ein guter Sportler, der vor allem Judo aktiv im Verein betrieb. Deshalb war er nach der Oberstufe (Abiturnote 1,0!) bereit, sich drei Jahre als Soldat bei der Nationalen Volksarmee zu verpflichten, um für das angestrebte Lehrerstudium zugelassen zu werden. Allerdings war das umfangreiche Programm selbst für ihn eine Herausforderung. „Neun Monate Grundausbildung, das war hart.“ Er erinnert sich an ein Wintermanöver im Februar, bei dem es zwei Wochen minus 20 Grad Celsius gehabt habe. Da habe man nachts nur „vor sich hingedämmert.“ Auch esse er noch heute viel zu schnell, weil sein Gruppenführer damals immer als erster gegessen habe und wenn er fertig gewesen sei, immer die gesamte Truppe habe aufstehen müssen.
Nie vergessen wird Huste seinen ersten Ausflug in ein Westkaufhaus im Dezember 1989, kurz nach der Wende. Damals sei er mit der Rolltreppe in einem Hertie-Kaufhaus raufgefahren, um dann unmittelbar wieder runterzufahren und sich auf die nächstbeste Parkbank zu setzen. „Ich war geflasht, wie man heute sagen würde - überwältigt, totale Reizüberflutung“, so der 55jährige. Der Weihnachtsschmuck und die vollgepackten Regale hätten ihn ausgeknockt. „Das ist wirklich zu viel“, ist auch heute noch seine Überzeugung zum Weihnachtsrummel. „Niemand braucht das, da müssen wir was ändern. Da sind Sie gefordert!“, spricht er die anwesenden Schüler an. „Wir haben es nicht hinbekommen.“