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"They Were German Patriots"


Gleich zweimal hatten Schülerinnen und Schüler der 11. bis 13. Klasse die Möglichkeit, per Videokonferenz auf Englisch mit "Second Generation Holocaust Survivors" zu sprechen. In beiden Familiengeschichten wurde klar: Die jüdischen Eltern und Großeltern verstanden sich als gute deutsche Staatsbürger, die ihre Steuern zahlten, immer pünktlich waren und sogar im Ersten Weltkrieg für das Deutsche Kaiserreich gekämpft hatten. Vor Ausgrenzung, Verfolgung und Ermordung ihrer Angehörigen durch die Nationalsozialisten bewahrte sie das allerdings nicht.

Shirley Katz lebt in New York City und steht am 26. Januar früh auf, um etwa 40 Zwölftklässlern im Nachmittagsunterricht die Überlebens- und Fluchtgeschichte ihrer Eltern Lore und Leo Oppenheimer zu erzählen. Die Oppenheimers stammten aus Norddeutschland und waren, so berichtet es ihre Tochter, "deutscher als die Deutschen", sogar noch, als sie nach dem Zweiten Weltkrieg im New Yorker Stadtteil Washington Heights lebten: "Zu früh zu einem Besuch zu kommen war gerade rechtzeitig, pünktlich war zu spät, zu spät war völlig inakzeptabel," erinnert sich Katz. Ihre Eltern hatten zu dem Zeitpunkt bereits mehrere Vernichtungslager im Osten Europas überlebt und zahlreiche Verwandte verloren. "Haben Sie heute noch ein schweres Herz gegenüber Deutschland und den Deutschen?", fragt ein Schüler. Die Antwort: "Es war schon oft schwierig, die Vergangenheit ruhen zu lassen, wenn bei Familienfesten nur ganz wenige Leute zusammenkommen, weil viele Geschwister, Onkel und Tanten ermordet wurden. Aber ich war jetzt schon zweimal in Deutschland und sehe, dass es eine neue Generation von Deutschen ist." Im Sommer plant Katz, zur Stolpersteinverlegung vor dem Haus ihrer Eltern nach Hannover anzureisen.
Zeitzeuge Shlomo
Shlomo Ruschin ist emeritierter Professor für Optik der Tel Aviv University in Israel und spricht am 1. Februar mit etwas 30 Elft- und Dreizehntklässlern. Das Gespräch wurde im Rahmen des Programms "Memories Alive" des Tübinger Vereins Marsch des Lebens e.V. vermittelt. Ruschins Eltern Alfred (Freddi) und Ruth Ruschin hatten ein Bekleidungsgeschäft in Ueckermünde (Mecklenburg-Vorpommern), das in der Reichspogromnacht von SA-Truppen zerstört wurde. Für die Eltern völlig unbegreiflich: "Sie waren als Juden deutsche Patrioten, mein Vater hat sogar im Ersten Weltkrieg ein Bein verloren." Das sei auch der Grund gewesen, weshalb sie lange nicht aus Deutschland auswandern wollten. Erst nach schrecklichen Lagererfahrungen in Auschwitz und Eberswalde flohen sie nach Chile. Ihrem Sohn Shlomo schärften die Ruschins die Bedeutung von Bildung ein: "Was du gelernt hast, kann dir nie wieder jemand wegnehmen."

Florian Kubsch

 
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