Eine Maske in viereinhalb Minuten
15.05.2020
„Zuschneiden, rumnähen, bügeln, Bendel, bügeln, fertig nähen, Bügel rein.“ Insgesamt sind es neun Schritte, die Eva-Maria Schullian benötigt, um eine ihrer farbigen Stoffmasken herzustellen. Viereinhalb Minuten braucht sie mittlerweile für eine Maske, „wenn ich im Flow bin“. Immer in Zwanziger-Portionen zerlegt sie die Arbeitsschritte, also 20mal zuschneiden, 20mal rumnähen usw. An ihrem Arbeitsplatz in der Metallwerkstatt steht ihre Nähmaschine, durch die Glasscheibe beobachtet sie, wie ihre Schüler der einjährigen Berufsfachschulklasse um sie herum drehen, fräsen und bohren, ab und zu klopft einer und fragt etwas. So fertigt die 30jährige eine Stoffmaske nach der anderen, „sie macht nichts anderes“, sagt ihr Kollege Marc Locher im Vorbeigehen.
Eine E-Mail des Schulleiters während des Lock-Downs brachte sie auf die Idee, Masken zu nähen. Rund 300 lagern inzwischen in Kartons im Sekretariat, werden verteilt an dankbare Kollegen oder Schüler, die ihren Mundschutz vergessen haben. In ihrem Fach findet sie Schokolade, in ihrer Post dankbare E-Mails. Auch Gunnar Huste, Schulleiter der GST, ist voll des Lobs: „Es ist großartig, so engagierte und kompetente Kolleginnen und Kollegen an der Schule zu haben.“ Die Produktionskosten für Stoff und Gummibänder bezahlt die Schule, sie liegen bei rund 60 Cent pro Maske, die Bügel erhält Schullian kostenlos von einem Freund, der über einen Drucklaser verfügt.
Nähen ist ihr Hobby, mit vier saß Schullian erstmals an einer Nähmaschine, mit zwölf folgte das erste Burda-Muster, seit Jahren näht sie sich ihre Abendkleider selbst. Seit vier Jahren ist sie am Wochenende auf Mittelaltermärkten unterwegs, dort versucht sie mit Freunden, das elfte Jahrhundert „authentisch darzustellen“, die Gewänder näht sie nach Vorlagen selbst. „Das ist Entschleunigung pur“, schwärmt die junge Frau mit dem blaugefärbten Haar. „Kein Handy“, gekocht würden Knödel oder Spätzla, „Kartoffeln sind tabu“.
Ihre Berufsausbildung als Feinwerkmechanikerin hat sie genau hier mit Anfang 20 in der einjährigen Berufsfachschule begonnen. „Ich bin damals sechs Wochen nach Schuljahresbeginn eingestiegen“, ihr heutiger Kollege Dieter Vater besorgte ihr eine Lehrstelle an der Uni Tübingen. Dort blieb sie einige Jahre, machte ihren Meister in Teilzeit und fertigte Aluminiumrahmen für Satelliten oder ein erdgestütztes Teleskop in Namibia. „Die Uni war wie eine Familie“, sagt sie. Dann, vor drei Jahren, erhielt sie einen Anruf, ob sie sich nicht auf eine Stelle an der GST bewerben wolle.
Hier gefällt ihr der gute Draht zu den Schülern, die motivierten Azubis. Dann kam die Corona-Krise. „Es ist nervig, die Hygienerichtlinien umzusetzen“, sagt Schullian. Die Schüler klopften sich gerne gegenseitig auf die Schultern, das gehe jetzt nicht mehr, aber ansonsten laufe es gut, in der Werkstatt könne man gut Abstand halten. Innerlich richtet sie sich darauf ein, noch viele Masken zu nähen - Helfer sind herzlich willkommen.